26.09.2019

Krank durch Stress

Prof. Iris-Tatjana Kolassa in der Diskussion mit Mitgliedern von Bürgerimpulse.

Ob Alltagsstress, schwerwiegende traumatische Ereignisse, Schadstoffbelastung oder eine ungesunde Ernährung – sie kumulieren über die Lebensspanne und erhöhen in einer Dosis-Wirkungsbeziehung die Wahrscheinlichkeit für eine ganze Reihe körperlicher und psychischer Erkrankungen wie Krebs oder Depression.

Prof. Iris-Tatjana Kolassa von der Abteilung Klinische und Biologische Psychologie der Universität Ulm interessiert sich besonders für die biomolekularen Prozesse, die psychischen Erkrankungen zugrunde liegen. Demnach führt Stress zu einem Mehr an zellulären Schädigungen durch oxidativen Stress und chronische Entzündungsprozesse, die den bioenergetischen Stoffwechsel der Zellen in unserem Körper beeinflussen. Das bedeutet letztlich vorzeitige Alterung und ein hohes Krankheitsrisiko.

Bei ihrem Vortrag „Stress geht unter die Haut und in die Zelle“ am 26.09.2019 auf Einladung von Bürgerimpulse im Studio der Sparkasse Ulm stellte die Psychologin erschreckende Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien vor. Demnach wirken negative Kindheitserfahrungen wie Mobbing und Missbrauch nicht nur im Erwachsenenalter weiter, sondern können später sogar noch die Entwicklung der Kinder und Enkel der Betroffenen beeinträchtigen. Die negativen Einflussfaktoren müssen aber gar nicht so schwerwiegend wie Kindesmissbrauch sein, um langfristig schädliche Wirkungen zu zeigen: schon ein übervoller Stundenplan in der Schule beeinträchtigt offenbar die Entwicklung der jungen Menschen anstatt sie zu fördern. Bewegung, Entspannung, positive Freizeitaktivitäten, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf brauchen mehr Raum. Dies setzt sich über die weitere Ausbildung und das Berufsleben bis ins hohe Alter fort. Senioren, die auf positive Weise aktiv bleiben, bauen weniger schnell geistig und körperlich ab. Damit solche Gegenmaßnahmen wirken, müssen sie jedoch langfristig durchgehalten werden. Bereits angerichtete Schäden sind schwer oder auch gar nicht wieder zu reparieren, vor allem nicht im Gehirn.

Was bedeutet dies für die Gesellschaftspolitik? Urlaub heilt nicht alles, was im Alltag kaputt gemacht wurde. Das gesamte Leben sollte vom Kindesalter an gesundheitsbewusster gestaltet werden. Für den Einzelnen bedeutet dies unter anderem Stressreduktion, positive soziale Beziehungen, gesunde Ernährung, Sport und ein Verzicht auf Alkohol und Rauchen. Doch wenn es um die Gestaltung von Stundenplänen und Arbeitsbelastung, die Luftqualität in den Städten (gerade auch um Schulen herum) sowie Möglichkeiten für mehr Bewegung (z.B. durch attraktiveren Fuß- und Radverkehr sowie Sportstätten) geht, wird auch bei der Politik und Arbeitgebern ein Umdenken notwendig. Die Kosten dafür sind womöglich gar nicht hoch, da Krankheitstage und Ausgaben im Gesundheitssystem im Gegenzug sinken werden.

25.06.2019

Auch eine multikulturelle Gesellschaft braucht Zusammenhalt

Prof. Norbert Lammert in der Diskussion mit dem Publikum. Links neben ihm der Gastgeber des Abends Dr. Reinhard Knüppel von Bürgerimpulse.

Prof. Norbert Lammert war von 2005 bis 2017 Präsident des Deutschen Bundestags und ist über Parteigrenzen hinweg respektiert. So wurde es die trotz tropischer Temperaturen mit über 200 Gästen bisher bestbesuchte Veranstaltung von Bürgerimpulse als Lammert am 25.06.2019 im Großen Saal der Volksbank Ulm-Biberach über den schwierigen Begriff der 'Leitkultur' referierte.

Menschen mögen keine Vorschriften, aber wenn in einer Gesellschaft nicht das Recht des Stärkeren, sondern Zusammenhalt und individuelle Freiheiten gelten sollen, muss sich diese auf ein Mindestmaß an gemeinsamen 'Verbindlichkeiten' einigen. Welches diese sind, darf hinterfragt werden und kann sich über die Jahre und Jahrzehnte fortentwickeln. Doch Geld, Wettbewerbsmechanismen oder Machtverhältnisse reichen dazu nicht aus. Eher sind es die Erfahrungen, Überzeugungen, Orientierungen und Traditionen, die in einer Gesellschaft Geltung beanspruchen. Bis auf die gemeinsame Sprache ist dieser Kanon bei uns auch nicht Deutsch, sondern Europäisch. Er beansprucht keine Überlegenheit gegenüber dem Kanon anderer Staaten wie z.B. China. Auch Zuwanderer, die bleiben und hier leben wollen, haben das Recht, sich an der ständigen Diskussion zu beteiligen.

In Europa stehen diese Überzeugungen in einem Spannungsverhältnis zwischen Glaube und Vernunft. Als Beispiel für sich weiterentwickelnde Überzeugungen, bei denen Glaube und Vernunft sich gegenseitig relativieren, nannte Lammert den Wandel des Familienbegriffs in unserer Gesellschaft.

In den einleitenden Artikeln des Grundgesetzes sieht Lammert jedoch nicht Quelle, sondern Ausdruck dieser Überzeugungen. Ausführlich widmete er sich dem Zustandekommen und den Besonderheiten dieses bemerkenswerten Dokuments, das auf unseren sich wandelnden kulturellen Überzeugungen basiert und unter anderem deshalb bereits über 50 Mal geändert wurde.

Die Zuhörer waren beeindruckt und lauschten dem Vortrag diszipliniert. Bemerkenswert ist, dass Lammert dieses schwierige Thema ohne die leiseste Andeutung einer 'Stammtischparole' sachlich abhandelte. Die Gäste dankten es ihm in der Diskussion und ließen sich bei ihren Beiträgen ebenfalls nicht auf dieses Niveau herab. Ein Fazit des Abends war aber auch, dass es nicht auf den Begriff ankommt, sondern auf die Diskussion über den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Obgleich Prof. Lammert in Ulm Aspekte hinzufügte und vertiefte, sind seine Thesen zur Leitkultur noch von einem früheren Vortrag auf seiner Website nachlesbar. Einen Videobericht mit Interview finden Sie bei Regio TV Schwaben. Die Südwest Presse Ulm berichtete ausführlich in ihrer Printausgabe vom 27.06.2019 auf Seite 19.

11.04.2019

Von der Utopie zur Realität

Am 11.04.19 trug Prof. Thomas Straubhaar (hier im Gespräch mit Bernd Scheitterlein und Dr. Reinhard Knüppel) auf Einladung von Bürgerimpulse e.V. in der Handwerkskammer Ulm sein Plädoyer für ein Bedingungsloses Grundeinkommen vor.

Nicht „warum“, sondern „warum nicht“ – ein Bedingungsloses Grundeinkommen müsste mit Blick auf die Zukunft des deutschen Sozialstaates die korrekt formulierte Frage lauten, sagte Prof. Dr. Thomas Straubhaar von der Universität Hamburg bei seinem Vortrag am 11.04.2019 in der Handwerkskammer Ulm auf Einladung von Bürgerimpulse. Denn was auf den ersten Blick Vision oder gar Utopie zu sein scheint, ist bei genauerem Hinsehen eine realistische, pragmatische und vor allem sachgerechte Antwort auf die gewaltigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – also die Digitalisierung als Fortsetzung der Globalisierung mit neuen Technologien, die demografische Alterung mit immer mehr Älteren und die Individualisierung der Gesellschaft mit neuen Formen des Zusammenlebens jenseits der klassischen Familie.

In Zeiten starken und schnellen Wandels soll nicht die neue Welt passend für ein altes Modell gemacht werden. Das alte System muss der neuen Welt angepasst werden. So wird möglich, die sich bietenden Chancen der Zukunft zum Wohle aller zu nutzen.

Ein Grundeinkommen löst viele, aber nicht alle Herausforderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen. Es beinhaltet manche Unbekannte und verursacht andere Kosten. Genauso gefährlich aber ist das verkrampfte Festhalten an einem veralteten System, das weder den Versprechungen von heute und noch weniger den Herausforderungen von morgen gerecht werden wird. Ein Systemwechsel mag kurzfristig teuer sein. Ein Verzicht auf ein Grundeinkommen jedoch dürfte langfristig teurer werden.

In der Diskussion mit den 120 Gästen räumte Straubhaar ein, dass die Einführung des Grundeinkommens eine Übergangsphase von womöglich zwei Generationen erfordern könnte, denn niemand sollte dabei z.B. seine bereits durch Einzahlungen in die Rentenversicherung erworbenen Ansprüche verlieren. Einwanderung locke dagegen schon das bisherige Sozialsystem an; dem könnte man entgegenwirken, in dem das Grundeinkommen Einwanderern erst nach und nach in jährlich steigenden Prozentsätzen gewährt wird.

18.02.2019

Auf die Kommunikation kommt es an

Prof. Achim Bubenzer referiert bei Bürgerimpulse über den Klimawandel

Prof. Achim Bubenzer hat sich der Klimakommunikation verschrieben. Der Physiker und ehemalige Rektor der Hochschule Ulm argumentiert, dass die Art und Weise, auf die seit über 20 Jahren über den Klimawandel gesprochen wird, einer Lösung des Problems mitunter im Wege steht. Sachlich, ohne Schuldzuweisungen und ohne Ängste sollte mit dem Thema umgegangen werden – aber auch nicht zu technisch, denn wer kann mit Angaben wie "400 ppm CO2" schon etwas anfangen?

Sein Vortrag vor über 170 Gästen im Großen Saal der Volksbank Ulm-Biberach stellte zunächst ein paar Fakten dar: was sehen wir schon jetzt, z.B. schmelzende Gletscher in den Alpen? Es folgten 6 Gründe, weshalb der Klimawandel dennoch schwer zu begreifen und anzugreifen ist: schwere Folgen sind (noch) nicht vor der eigenen Haustür zu sehen und werden auch international oft erst noch erwartet; die Lösung ist zudem eine Gemeinschaftsaufgabe und von Einzelnen nicht zu leisten.

Schließlich setzte sich Bubenzer der Reihe nach mit 10 häufigen Argumenten und Äußerungen auseinander, die in der Debatte vorgebracht werden – z.B. Deutschland allein könne die Welt nicht retten. Nicht alle Argumente sind vor der Hand zu weisen, aber auch kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen.

Das Ziel müsse eine motiviertende Klimakommunikation sein: weniger unverständliche Zahlen, weniger traurige Bilder z.B. abgemagerter Eisbären und auch keine Weltuntergangs-Szenarien. Der Kampf gegen den Klimawandel hat viel mehr das Potenzial, zu einer Erfolgsgeschichte globaler Kooperation zu werden, die eine lebenswerte Welt für unsere Kinder schafft. Beispiele dafür sollte man in den Vordergrund stellen. Dann macht auch das Mitmachen wieder Spaß!

05.12.2018

Die Spuren des Menschen im Wasser

Prof. Andreas Fath illustriert, wie Plastik sich im Wasser nur langsam zersetzt

Prof. Andreas Fath von der Hochschule Furtwangen schwamm von der Quelle bis zur Mündung des Rheins. Unterwegs analysierte er immer wieder das flussabwärts zunehmend belastete Wasser. Doch bereits im Tomasee, der als Quelle des Rheins gilt, fand er Mikroplastik. Dieses gelangt in die Nahrungskette und lässt sich auch beim Menschen im Darm nachweisen. Seine Auswirkungen sind nicht abschließend untersucht. Das größte Problem für die Gesundheit ist wahrscheinlich nicht das schlecht verdauliche Mikroplastik selbst sondern dass an ihm Schadstoffe anhaften (in kontrollierter Umgebung ist Mikroplastik deshalb sogar ein möglicher Wasserfilter). Die anhaftenden Schadstoffe gelangen mit ihm in den Darm und richten womöglich Schaden im Körper an.

Die Erkenntnis daraus ist, dass bei allen messbaren Erfolgen der letzten Jahrzehnte noch immer mehr für den Gewässerschutz getan werden muss. Dies fängt bei jedem Einzelnen an: nicht alles was über Dusche, Toilette oder Spülwasser ins Abwasser gelangt, kann durch Klärwerke wieder herausgefiltert werden, zum Beispiel Bestandteile von Drogerieartikeln, Schmerzmittel und Antibiotika. Plastik als Material hat seine Berechtigung in vielen Bereichen, aber bei Wegwerf-Artikeln wie Einkaufsverpackungen sollte es vermieden oder zumindest richtig entsorgt werden.

Im vollen Studio der Sparkasse Ulm in der Neuen Mitte fand Prof. Faths spannender und eindrucksvoller Vortrag am 5. Dezember 2018 deshalb eine gebannte Zuhörerschaft. Als nächstes möchten wir unseren neuen Umweltschwerpunkt mit einem Vortrag zum Klimawandel fortsetzen.

Eine weitere Zusammenfassung des Vortrags finden Sie in der Südwest Presse.